Über Wissensplattformen, Qualtätsprobleme und Standards, die sich nur langsam durchsetzen.


Hallo Herr Maaß und Herr Müller, der Fachverband Medienproduktion hat zusammen mit der Firma IPM Müller und Resing GmbH, die Wissensplattform printguru24.com gelauncht. Was hat es damit auf sich? Welche Ziele verfolgen Sie hiermit?
Rüdiger Maaß: Aus Sicht des f:mp. ist das die logische Konsequenz unserer bisherigen Aktivitäten für die Neupositionierung von Print. Die technischen Komponenten spielen dabei eine wichtige Rolle, denn wir sprechen von High-Quality- und High-Performance-Print. Aktuell ist es so, dass es keine hinreichenden Anlaufstellen und Austauschplattformen für Printexperten gibt. Und in Corona-Zeiten ist diese Situation noch krasser. Deshalb haben wir uns kurzfristig mit IPM entschieden, diese Idee – die übrigens schon länger existiert – in die Tat umzusetzen.
Aber nochmal konkreter zu der Frage: Es ist nicht nur eine Wissensplattform, sondern ein – sagen wir mal – High-Quality-Print-Hub für alle Print-Experten. Das betrifft nicht nur Druckunternehmen, sondern ganz speziell Druck-Auftraggeber aus allen Bereichen. Die Wissensvermittlung spielt im direkten Austausch eine wichtige Rolle, wir planen jedoch auch Seminare (aktuell Webinare), Marktumfragen, den Ausbau der Tutorials und natürlich die direkte Beratung (auch technische Hilfestellung) für Druckunternehmen. Die aktuell diskutierten Themen auf der Plattform haben uns aktuell sogar dazu veranlasst, dass wir Themen-Dokumentationen verfassen werden. Denn zu einigen Themen der Branchen (z.B. Systeme für Sonderfarben und Farbraumerweiterung) existieren keine belastbaren Fachdokumentationen.
Michael Müller: Ich hatte schon seit längerem mit dem Gedanken gespielt, eine Plattform zu schaffen, auf der sich jeder, der in der Druckbranche arbeitet, mit seinen Themen an die Community, besser aber noch direkt an Experten, wenden kann. Alle bisherigen Plattformen bieten meines Wissens nach diese Möglichkeit nicht. Hier werden die einzelnen Themen in der Gruppe diskutiert, aber eben nicht immer auf dem Niveau, auf dem die Diskussion geführt werden sollte. Hier ist, wie wir im Vorfeld unserer Recherchen feststellen mussten, oftmals viel Halbwissen mit im Spiel und die präsentierten Lösungen waren vielfach nicht wirklich zielführend. Hier wollten wir mit printguru24.com einiges besser machen.
Wenn ich mir das Forum angucke, sehe ich viele Fragen, die auf qualitative Einflussfaktoren abzielen. Qualität scheint also noch immer ein großes Thema zu sein. Was bedeutet Qualität für den f:mp. und für IPM in Hinblick auf den Druck?
Und ja, Qualität ist nach wie vor ein enormes Thema. Aktuell verfügen nach wie vor nur knapp 10% der Druckunternehmen über eine PSO-Zertifizierung. Das bedeutet nicht, dass die anderen 90% qualitativ schlecht drucken. Nur die Vergleichbarkeit der Qualität ist dann enorm schwierig. Und weiterhin hat Qualität auf Basis der ISO-Norm eine recht große Bandbreite. Wir wollen dafür sorgen, dass Print-Experten auch High-End-Print-Qualität produzieren, und das industriell in den engsten Toleranzen.
Michael Müller: Ja, das ist richtig. Drucken ist ein komplexes Thema, da viele Parameter wie z.B. Farbe, Bedruckstoff, Hilfsmittel, Lacke, Maschinen- und Messgeräteeinstellungen etc. Einfluss auf die Qualität des Druckergebnisses haben. Oft höre ich das Argument, dass man ja aufgrund der hohen Vielfalt der Druckprodukte (soll meinen: jedes Printprodukt ist individuell) gar keinen Standard drucken könne. Und das ist eben schon oftmals der Denkfehler. Wie will ich den genau die Individualität in den Griff bekommen, wenn ich jeden Tag das Rad neu erfinde und gar nicht weiß oder für Dritte dokumentiere, wie ich das eigentlich hinbekommen habe. Wie kann ich denn flexibel (z.B. seitens des Einkaufs) in den Verbrauchsmaterialen (Farbe, Papier, Druckplatte etc.) sein, wenn ich nicht die Referenzwerte weiß, auf die das neue Material im Produktionsprozess angepasst werden muss? Wikipedia sagt hierzu: „Ein Standard ist eine vergleichsweise einheitliche oder vereinheitlichte, weithin anerkannte und meist auch angewandte (oder zumindest angestrebte) Art und Weise, etwas herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat.“
Wenn ich mir das anhöre, dann scheint es so, dass wir ein Qualitätsproblem in der Druckbranche haben. Können Sie das bestätigen und falls ja, woran liegt das?
Michael Müller: Wann immer ich das Thema Qualität zum Beispiel im Rahmen eines Akquisegesprächs anspreche, dann höre ich seitens der Druckdienstleister oft die Aussage:
Darauf hin antworte ich dann meist:
Ich führe evtl. Qualitätsprobleme im Printprodukt sehr oft auf Qualitätsprobleme der eigentlichen Prozesskette zurück. Ist die Fertigungs- bzw. Prozesskette auf einem qualitativ niedrigem Niveau, so kostet es dem Unternehmer viel Geld seine Printprodukte auf die Qualität zu heben, die der Kunde fordert. Am Ende hat er dann zwar eine tolle Reklamationsquote auf die er stolz ist, kann sein Unternehmen aber am Ende des Jahres schließen, da er viel Geld und Zeit verbrannt hat. Wir haben also nicht nur Qualitätsprobleme in den Printprodukten an sich, über die es zu sprechen gilt, sondern vielfach schon bereits in den Fertigungsprozessen, aus denen heraus diese Printprodukte gefertigt wurden.
Die Fogra hat ja schon 2015 die neuen Druckbedingungen Fogra 51 und Fogra 52 freigegeben. Sprich, bei den Farbprofilen sind wir in der Version 3. Warum spielen die Farbprofile PSO coated und uncoated V3 in der Praxis noch immer kaum eine Rolle?
Michael Müller: Hier kann man gut die Daten aus unserer Online-Umfrage auf printguru24.com zur Beantwortung Ihrer Frage heranziehen. Auf die Frage „In welchen Standards bekommen Sie als Druckdienstleister die Daten für den Druck vom Kunden/Agentur geliefert?“ war die Antwort/das Ergebnis, dass nur ca. 7 % bis 10 % der Auftraggeber/Agenturen aktuell die Daten entsprechend der neuen Standards (FOGRA 39/FOGRA52) zur Verfügung stellen. Wie soll dann von den Druckdienstleistern nach den neuen Standards gearbeitet werden ,bzw. die Notwendigkeit gesehen werden, hier tätig zu werden? In der Praxis wurde bei der Einführung der neuen Standards meiner Meinung nach zu wenig über die Änderungen und Neuerungen in Bezug auf die neuen Standards mit den Erzeugern der Daten kommuniziert. Hier ist die Unsicherheit durch mangelndes Wissen in der Anwendung sehr groß und so geht man lieber den alten bekannten Weg, in der Hoffnung, dass am Ende alles gut gehen wird, sprich die Druckerei das schon irgendwie regeln wird.
Da haben wir also einen aktuellen Standard, der kaum Anwendung findet. Welche Auswirkungen hat das auf unsere Branche und auf Druckereikunden?
Michael Müller: Das sehe ich auch so. Wir müssen mehr dafür tun, dass die neuen Standards in die Praxis umgesetzt werden. Sie funktionieren sehr gut und können viele Probleme lösen. Angefangen von professionellen Lichtaudits, die wichtig sind, um perfekte Abmusterungsbedingungen zu schaffen, bis hin zu Proofpapieren mit optischen Aufhellern (Thema OBA), damit die heute im Einsatz befindlichen Bedruckstoffe und deren Ausdruckverhalten auch farbverbindlich korrekt simuliert werden können. Die eingesetzten Materialien in der Produktion haben sich in den letzten Jahren deutlich geändert und so ist es doch nur empfehlenswert, auch die neuen, speziell auf diese geänderten Vorgaben angepassten Standards zu verwenden.
Ist die Produktion abweichender Qualitäten eigentlich etwas, was auch in anderen Branchen zu finden ist? Ich meine, wir sprechen immer von der grafischen Industrie. Und von Industrien erwarten wir konstante Produktionsergebnisse.
Michael Müller: Ich weiß nicht, ob wir wirklich von einer Druckindustrie sprechen können. Das würde ja bedeuten, das mindestens 80-90 % der Betriebe ihre Produkte nach industriellen, standardisierten Prozessen fertigen würden. Ich glaube nicht, dass das in unserer Branche der Fall ist. Eine durchgängige Qualitätskontrolle von der Datenerstellung, über Digitalproof, hin zur Druckplatte, bis zur Druckmaschine findet nur in den wenigsten Unternehmen statt. Ich glaube, dass nicht einmal 3 % der Branche diese Qualitätskontrollen in die tägliche Praxis implementiert hat. Anders sind auch die hohen Fehlleistungskosten (Makulaturbogen beim Einrichteprozess, Nachdrucke, Maschinenstillstände, etc.) in unserer Branche nicht zu erklären. Oft fehlt in den Unternehmen auch die entsprechende Messtechnik, um die geforderten Ziel- und Referenzwerte zu überprüfen und ggf. anpassen zu können. Hier wird vielerorts noch nach der gängigen Meinung gearbeitet: Es wird schon gut gehen, die Jungs wissen was Sie tun. Und selbst da stellen wir auf printguru24.com fest, dass das mit dem „Sie wissen, was sie tun…“ auch nicht immer gilt. Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass in Punkte Qualitätssicherung in der Produktion, Weiterbildung der Mitarbeiter und Investition in neuste Prüf- und Regeltechnik zur Fehlervermeidung, Qualitätssteigerung der Printprodukte, bei gleichzeitiger Reduzierung der Herstellungskosten, noch einiges getan werden kann.
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