»Wer einmal lesen gelernt hat, wird nie mehr nicht lesen.«
Die FURE – THE FUTURE OF READING – ist ein Event, das bereits zum fünften Mal in meiner Heimatstadt Münster stattfindet und sich mit unseren gegenwärtigen und zukünftigen Lesegewohnheiten beschäftigt. Das Format ist auch aufgrund der hochkarätigen Auswahl der Speaker:innen eine Pflichtveranstaltung für kreative Köpfe. Anlässlich der kommen Veranstaltung, die am 08.03.2024 in der Münster School of Design stattfindet, sprach ich mit Prof. Rüdiger Quass von Deyen, der zusammen mit Patrick Marc Sommer von Typoint, die FURE ausrichtet, über Inhalte, Erkenntnisse, Vortragende und Unterschiede zwischen analogen und digitalen Leseerlebnissen. Lesenswert!
Lieber Rüdiger, die naheliegendste Frage am Anfang: Worum geht es bei der FURE?
Um uns herum verändert sich einfach alles – das ist kein Geheimnis. Einerseits halten wir noch immer an traditionellen Lesegewohnheiten fest, sind jedoch ebenso fasziniert von den ständig neuen Angeboten und Möglichkeiten. Auch wenn unser Wissen über die Auswirkungen des digitalen Lesens noch unsicher ist, konzentriert sich die FURE darauf, die Chancen und Herausforderungen des Umbruchs in der Medienwelt zu beleuchten. Wie beeinflussen analoge und digitale Lesegewohnheiten unsere Fähigkeit, Gelesenes zu erinnern? Wie können wir uns in das Gelesene vertiefen oder einfühlen? Und wie steht das Lesen im Vergleich zu anderen kulturellen Techniken wie Spielen, Zuhören oder Zuschauen?
Die FURE bietet Raum für Statements, Visionen und Positionen, nicht nur von, sondern auch für Designerinnen und Designer in den Bereichen Digitales, Magazin, Buch und Zeitungen. Alle Positionen und Perspektiven tragen dazu bei, den Prozess zu beobachten und angemessen einzuschätzen, damit wir fundierte Ratschläge geben können.
Warum widmest du sich so intensiv der Zukunft des Lesens? Ich meine, du hast neben deinem Engagement für die FURE ja noch viele weitere Aufgaben zu meistern.
Seit dem Internet 1.0 und der New Economy in den Neunzigern beobachte ich aufmerksam die Entwicklungen und Veränderungen. Als Designer bin ich selbst ein Teil dieses Prozesses, der durch die scheinbare Geschwindigkeit kontinuierlich intensiver wird. Für mich erübrigt sich daher die Frage nach dem ‚Warum‘, wenn ich weiterhin reflektiert und glaubwürdig an den Diskussionen sowie zukünftigen Lösungen für kommende Herausforderungen in der Gestaltung von Informationen und Botschaften teilhaben möchte.
Setzt ihr jährlich neue Themenschwerpunkte?
Unsere Schwerpunkte setzen wir nicht thematisch, sondern durch die Auswahl der Sprecher:innen. Die Veränderungen und Entwicklungen manifestieren sich in allen Schwerpunkten, Kanälen und Medien. Wir streben danach, diese Vielfalt möglichst breit anzusprechen und abzubilden – eine Idee, die in den ersten vier Veranstaltungen von unserem Publikum äußerst positiv aufgenommen wurde. Unser Gedanke dabei ist, dass aus jedem Vortrag, jedem Projekt und jeder Vision etwas für uns mitgenommen werden kann. Wenn man so will, haben wir aber in diesem Jahr starke Positionen zur Meinungsbildung durch Beiträge von Mike John Otto von Artificial Rome, der Designagentur Amatik und auch Thomas Poschauko zu den Themen VR/AR/Metaverse und KI.
Auf welche Speaker darf sich das Publikum freuen?
Neben den drei soeben genannten Sprecher:innen fällt es mir schwer, zu entscheiden, wen ich zuerst erwähnen sollte. (lacht) Am liebsten würde ich alle gleichzeitig aufzählen, denn ich freue mich tatsächlich auf jede:n Einzelne:n. Dieses Jahr sind wir besonders stolz darauf, Karin Schmidt-Friderichs zu begrüßen – eine Persönlichkeit, die, denke ich, keiner Vorstellung mehr bedarf. Ein weiteres Highlight ist Dr. Angelika Nollert, die die Leitung der neuen Sammlung des internationalen Designmuseums in der Pinakothek der Moderne innehat. Denn auch im musealen Raum muss kommuniziert und gelesen werden, insbesondere von Generationen, die vielleicht immer weniger Interesse am Lesen zeigen. Typemates wird nicht nur über Schriften sprechen, sondern auch beleuchten, wie man Schriften in einer Zeit entwickelt, in der TikTok das Lesen fast überflüssig macht.
Jutta Echterhoff wird ihr Projekt „books4future“ vorstellen, Phillip Pape spricht über „Lesearten“, und Olaf Wittrock widmet sich dem Journalismus sowie den Herausforderungen des zufälligen Kontakts zu Nachrichten, Botschaften und Informationen. Denn heutzutage stehen wir alle einem Publikum gegenüber, das nicht aktiv nach uns oder unseren gestalteten Texten gesucht hat, sondern uns eher zufällig gefunden hat. Zudem werden Stella Schaffrick und Lia Charleen Langer eine spannende Bachelorarbeit vorstellen. Die Arbeit fokussiert insbesondere die Medienkompetenz der Generationen Y und Z. Wie du siehst, gibt es viele spannende Einblicke von allen Sprecher:innen, auf die man sich freuen kann!
Und welche Erkenntnisse hast du aus den vorherigen Veranstaltungen mitgenommen?
Dass Designer:innen ihren Blick weit über den Tellerrand hinaus richten sollten, steht für uns außer Frage. Nur durch den Austausch untereinander können wir voneinander lernen und uns reflektiert auf weitere Veränderungen einstellen. Dies ist entscheidend, um flexibel mit den sich wandelnden Anforderungen umgehen zu können und dauerhaft glaubwürdige Lösungen zu entwickeln. Gestaltung ist untrennbar mit Inhalten verbunden – nur aus gehaltvollen Inhalten heraus können wir kreative Gestaltung realisieren. Und die Zukunft wird zweifelsohne von Inhalten geprägt sein, unabhängig davon, in welchem Kanal oder Medium sie präsentiert werden.
Wo liegen deiner Meinung nach die qualitativen Unterschiede zwischen analogen und digitalen Leseerlebnissen?
Hui. Eine Frage zum Schluss, die gar nicht so harmlos ist, wie sie von dir gestellt wurde (lacht) Ich weiß gar nicht wo ich da anfangen soll. Ich würde sagen: qualitative Unterschiede zwischen analogen und digitalen Leseerlebnissen können je nach individuellen Vorlieben, Kontext und Art des Inhalts variieren. Um ein paar Beispiele zu nennen:
Haptik und Materialität
• Analog: Bücher, Zeitungen und andere gedruckte Materialien bieten eine physische Erfahrung durch das Berühren von Seiten und das Gefühl von Papier oder Einband. Als Reading Experience (RX) bezeichne ich das gern.
• Digital: Digitale Lesegeräte wie E-Reader oder Tablets bieten eine glatte Oberfläche und den Touchscreen, der ein anderes haptisches Feedback vermittelt. Bewegtbild ist hier der große Vorteil.
Lesekomfort und Augenbelastung
• Analog: Einige Menschen bevorzugen das Lesen von physischen Büchern aufgrund des natürlichen Lichts und der fehlenden Bildschirmstrahlung, was die Augenbelastung verringern kann.
• Digital: Digitales Lesen ermöglicht Anpassungen wie Hintergrundbeleuchtung und Schriftgröße. Allerdings kann längeres Lesen auf Bildschirmen bei einigen Menschen zu Augenbelastung führen.
Navigation und Interaktivität
• Analog: Bücher erlauben eine lineare, physische Navigation durch Seiten und Kapitel. Interaktivität ist begrenzt.
• Digital: Digitale Formate bieten oft Suchfunktionen, Lesezeichen, Notizen und Hyperlinks, was die Navigation und Interaktion mit dem Text verbessern kann. Wobei man sich hier aber auch darin verlieren kann.
Speicherplatz und Tragbarkeit
• Analog: Physische Bücher können Platz beanspruchen, vor allem wenn eine große Sammlung vorhanden ist.
• Digital: Digitale Bücher können auf einem Gerät gespeichert werden, was die Portabilität und den Zugang zu einer umfangreichen Bibliothek erleichtert. Allerdings sollte man frühzeitig beginnen zu katalogisieren. Sonst verliert man sich in den Datenmengen.
Multimedialität und Anreicherung
• Analog: Traditionelle Bücher bieten begrenzte multimediale Elemente, normalerweise nur durch Bilder oder Grafiken.
• Digital: Digitale Formate ermöglichen das Einbetten von Videos, Audio und interaktiven Elementen, die das Leseerlebnis bereichern können.
Leseatmosphäre
• Analog: Einige Menschen schätzen die Ruhe und Atmosphäre des Lesens in gedruckten Büchern, abseits von elektronischen Ablenkungen und ohne Wlan-Verbindung. Offline als Lebensästhetik.
• Digital: Digitale Lesegeräte bieten Vielseitigkeit, aber könnten durch Benachrichtigungen und andere digitale Ablenkungen die Leseatmosphäre beeinflussen. Zudem kann, gerade unterwegs, der Akku mal Stress verursachen.
Rüdiger, vielen Dank für das schöne Interview. Wir sehen uns auf der FURE!
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