»Ein nachhaltiges Druckprodukt sollte möglichst regional und mit heimischen Rohstoffen produziert werden. Graspapier kann hierbei helfen.«
Die Frage, ob Gedrucktes in digitalen Zeiten überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hat, können wir sicher mit einem JA beantworten. Zunehmend müssen wir uns mit Fragen der Nachhaltigkeit auseinandersetzten. Die Branchenkommunikation hierzu ist stark interessengeleitet, selten objektiv und fast immer eindimensional. Ein guter Grund für mich, diesen Themenkomplex mit der Interviewserie Print is not Bad vielstimmig aufzuarbeiten.
Hier möchte ich unterschiedliche Akteure der Branche zu Wort kommen lassen, herausfinden, wie sie Nachhaltigkeit verstehen und welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen. Heute im Ring: Matthias Durst von Die Grasdruckerei.
Hier möchte ich unterschiedliche Akteure der Branche zu Wort kommen lassen, herausfinden, wie sie Nachhaltigkeit verstehen und welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen. Heute im Ring: Matthias Durst von Die Grasdruckerei.

Lieber Matthias, du bist Inhaber der Grasdruckerei. Was hat es damit auf sich?
Die Grasdruckerei ist eine eingetragene Marke der E. Kurz + Co Druck und Medientechnik GmbH, ein Familienunternehmen in der 4. Generation mit Sitz in Stuttgart. Im Frühjahr 2018 ist die Grasdruckerei entstanden, mit der Mission, regionale alternative Papiere, die so wenig Holzzellstoff als möglich enthalten, zu bedrucken und verarbeiten.
Wie definierst du ein nachhaltiges Druckprodukt? Welche Kriterien müssen hierfür erfüllt sein?
Ein nachhaltiges Druckprodukt sollte möglichst regional und mit heimischen Rohstoffen produziert werden. Hierbei sollten kurze Transportwege, geringe Mengen an Chemikalien, Wasser, Energie und Ressourcen im Fokus sein. Wichtig ist mir dabei, dass es bei möglichst wenig Ressourceneinsatz so viel Aufmerksamkeit wie möglich erhält und sich gut recyceln lässt.
Was genau ist Graspapier, worum dreht es sich beim Silphie-Papier?
Gras-, sowie Silphiepapier sind Alternativen zu Papieren aus Holzzellstoff. Dabei wird anteilig sowohl der primäre, als auch der sekundäre Holzzellstoff durch bis zu 50 % Heu oder Silphiefasern ersetzt. Das Heu wird vorwiegend aus Ausgleichsflächen bezogen, die Silphiepflanze ist eine Energiepflanze mit Ursprung aus Nordamerika
Wo genau liegt der ökologische Nutzen? Wie würde das Gras, bzw. die Silphie genutzt, werden, wenn es nicht für Papier eingesetzt wird. Klauen ihr dem Nutzvieh das Futter?
Das Heu, welches hauptsächlich ca. 3 x pro Jahr aus den Ausgleichsflächen geerntet wird, liegt normalerweise brach und wird nicht verarbeitet. Das sind freie Ressourcen. Die resistente Silphie wird als Alternative zum Energiemais kultiviert. Sie ist mehrjährig und benötigt weder Herbizide, Pestizide oder eine zusätzliche Bewässerung. In den Sommermonaten bietet sie Insekten und Vögeln Schutz und Nahrung. Darüber hinaus speichert ihr tiefes Wurzelwerk Kohlenstoffdioxid und Feuchtigkeit, sie bildet dabei Humus. Im Energiepark entsteht parallel zur Papierfaser Biogas aus dem Gärsubstrat.
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Sind diese Papiere mit konventionellen Papieren vergleichbar? Gibt es keinerlei Unterschiede z.B. in der Weiterverarbeitung, Haltbarkeit oder Bedruckbarkeit? Wie sieht es mit der Recyclingfähigkeit aus?
Die besonderen Papiere sind nur bedingt mit den konventionellen Papieren vergleichbar. Sie lassen sich zwar gut bedrucken und weiterverarbeiten, auch ihre Haltbarkeit ist vergleichbar. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Grundfläche nicht weiß ist. Daher eignen sich diese Papiere nicht für jede Art von Druckmotiven. Graspapiere lassen sich problemlos recyceln, also in den Kreislauf zurückführen. Dafür gibt es mittlerweile von den Herstellern Gutachten und Zertifikate. Darüber hinaus lassen sich die meisten dieser Papiere, wenn es unbedingt sein muss, über den Biokompost entsorgen.
Stammen die Holzfasern aus Recyclingpapier oder wird hier Frischfaser eingesetzt? Und falls Frischfaser, warum kein Recyclingpapier?
Es wird sowohl die Frischfaser als auch die Sekundärfaser aus recyceltem Altpapier eingesetzt. Die Frischfaser ist deshalb nötig, da wir nur begrenzt über ausreichendes Altpapier auf dem Markt verfügen. In der heutigen Zeit ist es trendy, Recyclingpapiere zu verwenden, viele von uns vergessen dabei, dass deren Ursprung trotzdem Bäume sind.
Sind die Papiere teurer als konventionelles Papier?
Sie liegen im Preissegment von guten, recycelten Altpapieren.
Auch lesenswert: Meine Interviews mit dem Erfinder des Graspapiers oder mit Detlef Gnauck von der Firma OutNature, die Silphie-Papiere herstellt.
Wo würdest du Graspapier einsetzten, wo Silphie-Papier? Gibt es da unterschiedliche Einsatzzwecke?
Das Graspapier sehe ich eher bei Akzidenzdrucksachen, das Silphiepapier bei Verpackungen. Häufig ist ein Druck auf Graspapier besser lesbar, da es in der Regel ein wenig heller ist als das Silphiepapier.
Angenommen, in einigen Jahren drucken wir überwiegend auf Graspapier. Würden die Ressourcen und Produktionskapazitäten das überhaupt hergeben?
Laut den Herstellern wäre das möglich. Gras wächst fast überall, die Silphie könnte für größere Teile den Mais ersetzen. Moderne Papierfabriken können sich den neuen Anforderungen anpassen. Für mich wird vieles heißer gekocht als gegessen, denn Papiere aus Holzzellstoff werden uns noch viele Jahre erhalten bleiben.
Weder für das Graspapier noch für das Papier aus Silphie gibt es Umweltsiegel. Findest du das bedauerlich oder sogar unfair? Wo liegen hier die Hürden?
Momentan sind die Papiermengen noch klein und mit den Umweltsiegeln wird bekanntlich ein Batzen Geld verdient. Sobald die Mengen größer werden, wird mit Sicherheit der Fokus darauf gesetzt. FSC-Zertifikate sind ja schon vorhanden.
Wie definiert und lebt ihr Nachhaltigkeit in eurem Unternehmen? Was plant ihr für die Zukunft?
Allgemein hat sich bei uns in den letzten Jahren viel verändert. Sowohl bei den Mitarbeitern, als auch in der Geschäftsführung. Das fängt mit nachhaltigen Maschinen, Farben, Klebstoffen, konsequenter Mülltrennung und weiteren Verbrauchsmaterialien an und führt über Gezeitenstrom, eine CO2 neutrale Logistik, sowie einen emissionsarmen Fuhrpark weiter.
Wann war dein grünes Gewissen das letzte Mal angekratzt?
Das ist eine gute Frage, denn das ist schon lange her. Damals machte ich mir weniger Gedanken über die Fliegerei, schnelles Fahren oder den Konsum tierischer Produkte. Heute bin ich bei weitem nicht perfekt, versuche aber, dass mein Konsum im behutsamen Einklang mit unserem Planeten ist.
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1 Kommentar
Spannend! Ich fände es interessant zu erfahren, wie Vergabestellen begründen, dass es bspw. den Blauen Engel (noch) nicht für Graspapiere gibt..?