„Plastic Bomb“ statt „Bravo“

Hallo Daniel, zum Einstieg: Was genau macht das Archiv der Jugendkulturen?
Wir arbeiten mit Hochschulen sowie anderen Gedächtniseinrichtungen zusammen – darunter auch große Museen und staatliche Archive -, aber auch mit Gruppen und Initiativen aus unterschiedlichen Szenen. Daneben haben wir auch einen Bildungsbereich, der u.a. jugendkulturelle Workshops an Schulen anbietet.
Für die, die es nicht wissen: Was ist ein Fanzine und wie unterscheidet es sich von anderen Publikationen, wie z.B. Magazinen?

Von zentraler Bedeutung waren Fanzines in der Punkszene ab den späten 1970er Jahren. Zum einen spielten sie eine Rolle als Gegenöffentlichkeit zu den etablierten Medien, zum anderen sind sie Teil des Do-It-Yourself-Ethos (D.I.Y.) der Punks, die ihre eigenen Strukturen aus Plattenlabels, Auftrittsorten, Vertrieben und eben Fanzines aufbauten. Fanzines sind in der Regel keine Veröffentlichung im Sinne des Presserechtes und enthalten oft sehr subjektive Inhalte. Zugleich ist aber der Übergang zu professionell gemachten Zeitschriften fließend und aus manchem Musikfanzine ist irgendwann eine Kioskzeitschrift geworden.
Gibt es Subkulturen in denen Fanzines besonders stark vertreten sind?

Ganz offensichtlich werden auch heute noch Fan-Magazine gedruckt. Warum sind deiner Einschätzung nach analoge Medien für Subkulturen auch im digitalen Zeitalter noch relevant?
Daneben funktionieren Zines teilweise – z.B. in queer-feministischen Zusammenhängen – als eine Art Schutzraum, denn sie zirkulieren nur innerhalb der jeweiligen Szene und sind nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Sie enthalten beispielsweise auch keine Kommentarspalten, in denen Hasskommentare gepostet werden könnten.
Fanzine bilden innerhalb von Subkulturen auch eine Art Schutzraum, der für die Allgemeinheit nicht zugänglich ist. Bild: Archiv der Jugenkulturen
Beobachtet ihr, dass sich Fanzines inhaltlich durch die Digitalisierung verändern?
Wie steht es um die drucktechnische Umsetzung? Wird hier großen Wert auf Haptik, Papier und Besonderes gelegt, oder sind Fanzines eher auf dem Niveau von Schülerzeitungen anzusiedeln?
Gibt es neben den Fanzines weitere analoge Medien, die für Subkulturen ebenfalls eine Rolle spielen?
Mit Fanzines werden sehr eng umrissene Personengruppen angesprochen. Wir wirkt sich das auf die Druckauflagen und Vertriebswege aus?
Zine-Feste? Es existiert also eine richtige Szene, in der sich die Menschen, die hinter den Fanzines stehen, treffen und austauschen können?
Möchtet ihr die Sammlung digital verfügbar machen und falls ja, gibt es hier besondere Herausforderungen?
Wir konnten aber schon ein paar Modellprojekte umsetzen, in deren Rahmen wir uns mit den speziellen Herausforderungen bei der Digitalisierung von Zines beschäftigt haben. Hierzu gehören zuerst rechtliche Fragen, z.B. in Hinblick auf Urheber- und Persönlichkeitsrechte. Außerdem sind Zines eine äußerst anarchische Mediengattung, die sich nicht unbedingt an das klassische Zeitschriftenformat hält, sondern in schwer zu digitalisierenden Formate auftreten kann, z.B. in Form von Papierrollen oder kompliziert gefaltetem Papier. Auch Umschläge oder Seiten aus anderen Materialien, eingeklebte Dinge und spezielle Verpackungen kommen vor.
Ein Beispiel ist ein Zine namens „Abgang“, das in ein öliges, nach Rauch riechendes Stück Stoff eingeschlagen ist. Das Zine dreht sich u.a. um Drogensucht, Depressionen und Selbstmordgedanken. Durch den Umschlag, der beim Lesen die Hände dreckig macht, hat dieses Heft eine ganz spezielle, auch körperliche Wirkung, die nicht digitalisiert werden kann.
Ich finde es toll, was ihr da macht, schließlich bewahrt ihr einen echten Kulturschatz und macht diesen zugänglich. Wie können meine LeserInnen den Verein unterstützen?
Von diesen finanziellen Herausforderungen abgesehen ist aber auch die Unterstützung durch Materialspenden immer willkommen, also z.B. Zeitschriften- und Fanzine-Sammlungen, aber auch Flyer, Plakate oder Vor- und Nachlässe von Szeneakteur*innen.
Melde dich für meinen Newsletter an und erhalte Artikel wie diesen bequem per E-Mail.
Du hast Anregungen? Dann schreibe einen Kommentar!