Nachhaltige Papier-Innovationen aus Deutschland.
Nachhaltigkeit ist in aller Munde und eines der bestimmenden Themen unserer Zeit. Aber wie geht eigentlich die Papier- und Druckindustrie konkret mit diesen wachsenden Anforderungen um? Welche Sichtweisen, Meinungen und Standpunkte nehmen die verschiedenen Akteure ein? In dieser Interview-Serie möchte ich Stimmen zu Wort kommen lassen, von meinen Interview-Partnern und Partnerinnen lernen und den Nachhaltigkeitskomplex von möglichst vielen Seiten beleuchten. Heute im Ring: Der Nachhaltigkeitsbeauftrage Jens Kriete von Koehler Paper.
Herr Kriete, Sie arbeiten als Nachhaltigkeitsmanager bei der Koehler-Gruppe. Stellen Sie doch bitte kurz das Unternehmen vor und vielleicht geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihr Schaffen bei Koehler.
Die Koehler-Gruppe ist ein familiengeführtes Unternehmen im Bereich der Papier- und Energieerzeugung. Als Papierhersteller ist Koehler Paper Weltmarktführer im Bereich Thermopapier, Spielkartenkarton und Getränkeuntersetzer. Unser Papierportfolio ist aber noch viel breiter, dazu gehören Spezialpapiere, grafische Sorten, flexible Verpackungspapiere, Selbstdurchschreibepapiere und Dekorpapier für vielfältige Anwendungen. Meine Aufgabe ist es, unser Nachhaltigkeitsprofil zu verfeinern, weiter zu entwickeln, sowie Nachhaltigkeitsaspekte für interne und externe Zielgruppen in den Unternehmenskontext zu bringen.
Nachhaltigkeit ist das bestimmende Thema – nicht nur in der Druckbranche. Wie positioniert sich Koehler Paper hier? Welche Auffassung und Definition haben Sie für dieses große Thema gefunden und innerbetrieblich kultiviert?
„Proudly Working for the Future“ ist ein Nachhaltigkeitsslogan, den wir vor ein paar Jahren in der Personalentwicklung ausgearbeitet haben. Mittlerweile verwenden wir ihn für unsere Nachhaltigkeitspositionierung. Darunter haben wir fünf Handlungsfelder definiert und damit unsere Aktivitäten zur nachhaltigen Entwicklung strukturiert. Erfolgreich können wir nur sein, wenn alle Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen unsere Nachhaltigkeitsbestrebungen unterstützen. Unsere internen Prozesse und die Effizienz dieser Prozesse spielen da eine sehr wichtige Rolle, zu denen jeder im Unternehmen einen Beitrag leisten kann. Über unser integriertes Managementsystem sind praktisch alle im Unternehmen bei Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz, sowie Energie-, Wasser- und Materialeffizienz an unseren Bestrebungen beteiligt.
“Praktisch alle Mitarbeiter sind in unseren Nachhaltigkeitsbestrebungen involviert.”
Sie sind ein Familienunternehmen und können auf eine über 210-jährige Geschichte zurückblicken. Beeinflusst diese Tatsache Ihr Handeln?
Das beeinflusst uns sehr, weil wir als Familienunternehmen langfristig denken können und stets mit dem Blick auf die kommenden Generationen agieren. Unser Vorstandsvorsitzender Kai Furler vertritt die achte Generation im Unternehmen. Vor wenigen Jahren hat er mit dem Bau einer neuen Papiermaschine eine Entscheidung getroffen, von der noch Generationen nach ihm profitieren werden. Das sind wirklich nachhaltige Entscheidungen!
Sie sind sehr innovationsfreudig und haben erst kürzlich über 300 Mio. Euro in die neue Produktionslinie investiert. Was wird darauf produziert, welchen Markt möchten Sie damit erobern?
Mit der Produktionslinie 8, die wir im Jahre 2019 in Betrieb genommen haben, treten wir in den Markt der flexiblen Verpackungspapiere ein. Diese Anlage ist technologisch in der Lage eine neue Generation von flexiblen Verpackungspapieren mit Barriereeigenschaften zu produzieren, die flexible Kunststoffmaterialien an sehr vielen Stellen ersetzen werden. Dieser Markt hat ein enormes Potential und es gibt praktisch keinen Markenartikler oder Einzelhändler, der nicht das Ziel hat, den Einsatz von Kunststoffen im Verpackungsbereich reduzieren zu wollen. Mit unseren neuen Produkten bieten wir unseren Kunden eine sehr effektive Lösung, um ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern.
Sie machen sich auch stark für erneuerbare Energien. Was hat es mit diesem Geschäftszweig auf sich? Wie groß ist der Anteil erneuerbarer Energien in Ihrer Produktion?
Die Papierherstellung benötigt eine verlässliche Energieversorgung und daher auch Kompetenz in der Energieumwandlung und -bereitstellung. Diese Kompetenz in der Anlagenplanung und im Anlagenbetrieb haben wir aufgebaut und vor neun Jahren diesen neuen Geschäftsbereich aufgebaut. Dabei erzeugen wir erneuerbare Energie für das Netz und für externe Industrieprozesse. Am Standort Kehl versorgen zwei hocheffektive Kraft-Wärmekopplungskraftwerke unseren größten Standort. Aktuell spielen auch noch fossile Brennstoffe eine Rolle, die wir aber auf Biomasse umstellen werden.
Ein weiterer Beweis Ihrer nachhaltigen Ausrichtung ist ein neuartiges Thermopapier für Kassenzettel. Erzählen Sie mal.
Thermopapier enthält ja bereits alle Verbrauchsmaterialien und hat sich im Bereich Kassenbelege und Logistik durchgesetzt. Entwicklerbasierte Thermopapiere bestimmen den Markt. Die verwendeten Farbentwickler können phenolhaltig oder phenolfrei sein, werden aber beispielsweise vom Umweltbundesamt kritisch gesehen. Mit unserem Thermopapier Blue4est® haben wir ein Thermopapier entwickelt, welches komplett ohne Entwickler auskommt, eine völlig andere Wirkweise hat und in bestehenden Thermopapierdruckeinheiten verwendet werden kann. Dieses neue Thermopapier enthält unproblematische Rezepturbestandteile, Substanzen, die seit Jahrzehnten in gestrichenen grafischen Papieren Verwendung finden.
Sie haben sogar einen Weg gefunden, Einweg-Kaffeebecher zu recyclen und für grafische Papiere verwendbar zu machen. Was hat es damit auf sich?
Bisher ließ sich die Kunststoff-Beschichtung von Getränkebechern nur mit extrem hohem Aufwand von den Papierfasern trennen, daher landeten die meisten Becher im Müll. Mit der Investition in die Altpapier-Aufbereitung an unserem Standort in Greiz ist es uns gelungen, durch ein neues Verfahren die Papierfasern aus den Einweg-Bechern als hochwertigen Rohstoff für Recycling-Papiere nutzbar zu machen. Damit können wir den Frischfaserzellstoff aus Einweg-Bechern in den Recyclingkreislauf zurückführen. Und das alles auch noch ressourcenschonend, einfach und effizient. Das Abfallprodukt Einweg-Becher wird wieder zum Rohstoff für ein grafisches Papier, welches für unterschiedlichste Einsatzzwecke in Kommunikation und Werbung genutzt werden kann. McDonalds Deutschland setzt beispielsweise das Recycling-Papier schon für verschiedene Kommunikationsmittel ein.
CoffeeCup Paper nennt sich das Papier, welches Koehler aus gebrauchten Getränkebechern produziert.
Überall ist zu lesen, dass Recyclingpapiere große ökologische Vorteile gegenüber Papieren aus Frischfaser mit sich bringen. Wie beurteilen Sie diese Aussagen und wozu raten Sie Kunden, die ein möglichst nachhaltiges Substrat einsetzen möchten?
Recyclingpapiere sind großartig, denn man kann mit einem Material, was schon einen Wert geschöpft hat, erneut Werte schöpfen. Mit unseren Produkten aus Greiz zeigen wir auf, welch hohe Produktqualität auch mit Recyclingpapieren erreicht werden kann. Bei der Vielfalt von Papiersorten muss man aber differenzieren. Bei einigen Papiersorten ist es auch ökologisch sinnvoller, Frischfasern einzusetzen, weil sich die Papiereigenschaften mit Frischfasern viel besser steuern lassen, gerade bei sehr niedrigen Flächengewichten, im direkten Lebensmittelkontakt und wo ein sehr hoher Weißgrad benötigt wird. Wenn solche Eigenschaften gefragt sind, kann man mit Papieren aus zertifiziert nachhaltiger Forstwirtschaft über die Lieferkette nachhaltige Forst- und Plantagenwirtschaft unterstützen.
Das bringt uns zu Ihrer neuesten Innovation. Durchgefärbte Premiumpapiere und Kartons auf Basis von Sekundärfaser für beispielsweise Verpackungen. Ein Novum! Mit welchen Umweltsiegeln sind sie ausgezeichnet?
Wir wollen mit diesen Papieren einen sehr anspruchsvollen Markt bedienen, in dem die Haptik, die Oberfläche und die Farb-Konsistenz sehr geschätzt werden. Bisher kamen für diesen Markt nur Papiere auf Frischfaser-Basis in Frage. Wir haben aber ein Premiumpapier auf Basis von 100 % Sekundärfaser entwickelt, unser Koehler Eco® Black. Hier treffen zwei Entwicklungen zusammen: Unsere technologische Fähigkeit, Altpapiere so hochwertig aufzubereiten und dass das Thema Nachhaltigkeit auch im exklusiven Luxussegment einen sehr viel höheren Stellenwert eingenommen hat. Die Anforderungen an Verpackung für Luxus-Produkte sind erwartungsgemäß sehr hoch und diese erfüllen wir. Aber die Bereitschaft, Verpackungen zu nutzen, die aus Material gewonnen wurden, was zuvor einmal Abfall bzw. Altpapier war, das ist eine neue und sehr positive Entwicklung. Sozusagen „nachhaltig Premium“, eine Kombination, die sich bisher ausgeschlossen hat. Deshalb wurde unser Koehler Eco® Black auch bereits nicht nur mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“, sondern auch mit dem EU Ecolabel – der Umweltblume – und FSC ausgezeichnet.
Ist das noch Recycling?
Nun, man könnte hierbei durchaus von Upcycling sprechen, da das Produkt eine höhere Qualitätsanmutung haben kann, als das Material, aus dem es hergestellt wurde.
Wo lagen die besonderen Herausforderungen bei der Entwicklung dieser nachhaltigen Papiere und Kartons?
Wir haben das Produkt mit der Prämisse entwickelt die „Blaue Engel“-Zertifizierung zu erreichen. Dabei stecken die Anforderungen technologisch und von der Auswahl der Roh- und Hilfsstoffe einen sehr engen Rahmen. Wir sind daher sehr stolz darauf, dass wir es dennoch geschafft haben, ein so hochwertiges mit dem Blauen Engel zertifiziertes Produkt auf den Markt gebracht zu haben.
Wagen Sie abschließend bitte einen Blick in die Zukunft. Wie wird sich der Markt in den nächsten Jahren verändern? Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie am Horizont?
Papier ist ein Material, was auf nachwachsenden Rohstoffen aus nachhaltig bewirtschafteten Quellen basiert. Es ist kreislauffähig und hat damit wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte bereits integriert, gerade im Anbetracht der zukünftigen Rohstoffverfügbarkeit.
Zwei der ganz großen Herausforderungen ist der Klimaschutz und die Reduzierung der Plastikvermüllung. Genau zu diesen beiden großen Themen bieten wir bereits heute Lösungen an, z. B. mit unseren regelbaren erneuerbaren Energien und papierbasierten Verpackungslösungen und vielen weiteren Lösungen in der Pipeline.
Zwei der ganz großen Herausforderungen ist der Klimaschutz und die Reduzierung der Plastikvermüllung. Genau zu diesen beiden großen Themen bieten wir bereits heute Lösungen an, z. B. mit unseren regelbaren erneuerbaren Energien und papierbasierten Verpackungslösungen und vielen weiteren Lösungen in der Pipeline.
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