Im Interview mit Gerhard Märtterer.

Herr Märtterer, Sie sind ein Strippenzieher unserer Branche, ein Experte im Bereich des hyperpersonalisierten Drucks mittels HighSpeed Inkjet. Erzählen Sie uns doch zum Einstieg etwas über Ihren beruflichen Werdegang. Welche Berge überwand Herr Märtterer um dort anzukommen, wo er heute ist?
Es liegt auf der Hand: Nur wer in der Lage ist, Kunden interessenbasiert mit Produktempfehlungen zu adressieren, wird mit seiner Werbung auch Erfolg haben. Auf welchen Wegen kommen Unternehmen an Informationen, aus denen sich hochrelevante
Produktempfehlungen für Druckprodukte ableiten lassen?
Wir sprechen hier also über Owned Media. Warum gewinnen eigene Daten in Zeiten, in denen umfangreiche Kundeninformationen einfach gekauft werden können, an Relevanz?
Aber haben gekaufte Kundendaten nicht auch eine hohe Bedeutung für den Werbemarkt? Durch meinen Job als Print Produktioner weiß ich: nicht jedes Unternehmen besitzt umfangreiche Informationen über einzelne Kunden oder Zielgruppen. Insbesondere Start-ups haben in der Regel keinen eigenen Datenbestand.
Nehmen wir das Startup Unister mit seinen Reisediensten wie “Ab-in-den-Urlaub”. Die hatten in Leipzig angeblich 1000 Mitarbeiter und irre Wachstumsraten – dank massiver Werbung in Google. Schlussendlich hatte Unister 10 Millionen Euro Schulden bei Google als sie 2016 in die Pleite schlidderten. Da frage ich mich, was nützt es einem Unternehmen, wenn es dank Social Media oder Search Media sich auf die Schnelle Millionen Schnäppchenjäger teuer erkauft und mit seinen minimalen Margen nicht mal die Werbekosten finanzieren kann? Das ist ja gerade das vertrackte am System der GAFAs: Die lassen es nicht zu, dass man sich eine eigene Datenbank aufbaut. Dort kann ich keine Adressen und Profile kaufen, sondern nur tagesaktuellen Traffic. Damit wird man abhängig wie ein Junkie, es braucht ständig neuen Stoff. Hätte Unister seine eigene Datenbank aufgebaut, statt 10 Millionen Schulden bei Google aufzutürmen, wären sie wohl nicht so schnell gewachsen. Aber eben nachhaltiger und würden wohl heute noch bestehen.
Angenommen, ich verfüge über relevante Informationen einzelner Kunden und ziehe hieraus Schlussfolgerungen für meine Print-Werbung. Können Sie mir ein paar konkrete Beispiele nennen, wie so etwas in einem Katalog oder einem Mailing aussehen könnte?
Hat der hochpersonalisierte Druck auch Auswirkungen auf den Zeitschriften-, Zeitungs-,
und Magazinmarkt? Was denken Sie, ist hier in Zukunft zu erwarten?
Beispiele sind die Abo-Ausgaben der Auto-BILD, Sport-BILD, Computer-BILD und die Zeitschriften der Motorpresse Stuttgart. Die Funke-Mediengruppe nutzt ihre Kundenprofile zum personalisierten Druck hochrelevanter Zeitungen, die zielpersonengenau ausgesteuert werden können. Die Hamburger Morgenpost bietet seit diesem Jahr sogar Programmatic Print in ihren Ausgaben an. Das Vermarktungstool dazu heißt Pryntad.
Die für den Druck relevanten Informationen einzelner Kunden oder auch Kundengruppen werden automatisch bereitgestellt. Sie sprechen hierbei auch von “Programmatic Printing“. Was genau hat es mit diesem Begriff auf sich? Wie funktioniert das in der Praxis?
Müssen Online-Marketeers viel hinzulernen, wenn diese künftig Print ebenfalls bespielen möchten? Gibt es hier größere technische Hürden, beispielsweise in der Bedienung von Software oder in der Bildverwaltung, zu bewältigen?
Den bespielt ihr eben nicht mit HTML, sondern mit PDFs. Um die drucktechnischen Feinheiten braucht Ihr euch nicht zu kümmern. Das besorgen euch kompetente Druckdienstleister oder Medienproduktioner, wie sie der f:mp. ausbildet.
Technisch ist der Druck hochrelevanter Inhalte längst möglich. Warum denken Sie, reagieren Werber noch immer zurückhaltend auf diese Anwendung, die ja ein riesiges Potenzial in sich birgt?
Ich war 1997 mit meinen Studenten neugierig aufs Internet. Wir nutzten unsere Chance. 2003 musste ich AlphaPicture am Druckmarkt etablieren. Ich hatte keine Ahnung von Digitaldruck. Aber ich musste es lernen, damit ich mit meinen Kunden auf Augenhöhe verhandeln konnte. So bin ich seitdem in beiden Welten unterwegs. Das Problem, das wir haben, ist diese Neophobie: Die Drucker der Generation Babyboomer verteufelten das Internet. Die Generation Y wuchs fast ohne Druckausbildung auf. Nun haben wir einen Clash zweier Generationen: Die jungen merken, dass Werbung im Internet an seine Grenzen stößt, getrauen sich aber nicht an das für sie Unbekannte namens Print heran. Die Alten resignieren. Hier sehe ich meine Aufgabe als Brückenbauer zwischen den Kanälen und den Generationen.
Die hochindividuelle Ausspielung von Werbung im digitalen Raum ist gelebter Alltag. Print scheint nicht wenigen Werbern etwas aus der Mode gekommen zu sein. Welche Vorteile sehen Sie im Gedruckten, die online nicht zu finden sind? Sprich, mit welchen
Argumenten können wir Überzeugungsarbeit leisten?
Der wahre Grund liegt aber tiefer. Ein Blatt Papier ist nun mal ein beständiger Datenträger. Bilder und Texte müssen nicht zigmal pro Sekunde wie bei einem Bildschirm neu aufgebaut werden. Sie stehen dort wie in Stein gemeißelt. Das hat ganz andere physiologische Auswirkungen auf den Rezipienten. Sehen Sie, ich bin viel auf Reisen im Zug. Dabei beobachte ich, wie Kinder ein Buch lesen und wie andere Kinder mit den Wisch- und Weg-Medien stillgestellt werden. Daraus ziehe ich meine Rückschlüsse. Und die sagen mir, dass Printmedien eine Zukunft haben. Anders als wir das im letzten Jahrhundert erlebten – nämlich wertiger.
Wagen Sie doch bitte zum Abschluss einen Blick in die Glaskugel: Welche Möglichkeiten liefert der Digitaldruck in, sagen wir, 10 Jahren?
Mein Blick in die Glaskugel:
- Der HighSpeed-Inkjet (HSI) erobert derzeit das One-to-One Direktmarketing dank White-Paper-Printing. Vordrucke im schmalbahnigen Rollen-Offset sind passé. Alles wird in einem Durchgang auf das weiße Papier gedruckt.
- Der Online-Druck wird transformiert: Warum noch Sammelformen in Staffelauflagen im großformatigen Bogenoffset anlegen und viel überschüssiges teures Papier wegwerfen, wenn es im HSI direkter geht?
- Die Transaktionsdrucker werden merken, dass Transpromo die Position im Werbemarkt einnimmt, die ich schon vor 15 Jahren vorausgesagt habe: Als vollfarbige Transaktionsdrucke, die im White Space Marketing ideal als Trägermedium fürs Programmatic Print-Advertising eingesetzt werden können. White Space bedeutet, dass die freien weißen Flächen eines Blattes Papier zielpersonengenau noch mit Werbung aufgefüllt werden können.
- Abo- und Corporate Publishing Zeitschriften werden immer regionaler bis hin zu echtem One-to-One. Damit eröffnen sich ganz neue Perspektiven fürs Global-Local-Marketing und fürs Programmatic Advertising im gedruckten Editorial Media.
Schlussendlich setzt ein Flywheel-Effekt ein. Das Schwungrad nimmt mit jeder neu installierten HSI-Maschine und jeder neu installierten Software für den variablen Datendruck (VDP) mehr Fahrt auf. Jeder Werbetreibende, jede Werbeagentur, die mit VDP zweistellige Conversion Rates erreicht, werden auf dieser Schiene weitermachen. Ich vergleiche das mit der Entwicklung der guten alten Plakatwerbung. Seit Out of Home (OOH) digital ist (DOOH) und ein Programmatisches Ausspielen erlaubt, haben sich die Marktanteile der Außenwerbung in nur sieben Jahren verdoppelt.
Du hast Anregungen? Dann schreibe einen Kommentar!