»Ich verstehe mich nicht als gehorsam ausführende Dienstleisterin.«
In dieser Interview-Serie schildern Print ProduktionerInnen Ihre ganz eigene Sicht auf Ihren Job, Arbeitsweise, Kunden, Partnern und die gesamte Branche. Mit diesen Gesprächen möchte ich herausarbeiten, wie Druckexperten so ticken, was Sie bewegt, begeistert und beschäftigt. Heute im Ring:
Katja Knahn alias paperkate
Hallo Katja, viele kennen dich unter den Namen paperkate. Damit trägst du deine Passion schon im Alias. Zum Einstieg: Wie sieht dein beruflicher Werdegang aus und was genau machst du beruflich?
Aber der Reihe nach: 1994 absolvierte ich meine Ausbildung zur Schriftsetzerin (damals noch im Fotosatz). Nach meinem Fachabitur studierte ich dann in Leipzig an der HTWK mit Diplomabschluss zur Ingenieurin für Verlagsherstellung. In meiner letzten Station in einer Agentur habe ich aus der Position der Produktionsleitung heraus beschlossen, mich unter dem Namen „paperkate“ selbstständig zu machen und freiberuflich zu arbeiten. Und inzwischen bereits über das siebte Jahr hinaus und immer noch happy.
Als klassische Print-Produktionerin beschäftigst du dich mit der Entwicklung und Produktion gedruckter Kommunikation. Hast du ein Lieblingsprodukt, an dem du mitgewirkt hast? Mit welchen Materialien und Druckveredelungen arbeitest du besonders gern?
Lieblingsprodukte sind solche, bei deren Entwicklung ich maßgeblich beteiligt war und ich nicht erst dann ins Boot geholt worden bin, nachdem schon alles beschlossen war. Als erstes fallen mir das Packaging für die Porzellanmanufaktur Nymphenburg ein (eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Bureau Mirko Borsche, der Entwicklung unter Beachtung einiger funktionaler Parameter und sogar die Sonderanfertigung eines exklusiven Kundenpapiers).
Weiterhin möchte ich die Konzeption für die Seminarunterlagen für das Fortbildungsinstitut für Betriebesräte ifb nennen: die Entwicklung eines komplett neues Produkts, mit der Herausforderung, möglich ökologisch und ökonomische Effizienz für eine individuelle Buchreihe bei größtmöglicher Funktionalität und passender Gestaltung – unter Beachtung, das Produkt auch digital mitzudenken.
Schöne Spinnereien liebe ich auch, wie die Vogl Creative Box (da konnte ich aus dem Vollen schöpfen beim Thema Papier und Veredelung und richtig Hirnschmalz bei der Entwicklung verbraten) – diese Arbeit ist mit dem Print Award 2019 belohnt worden.
Aus welchen Ecken kommt deine Kundschaft und welche Klienten betreust du besonders gern? Gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Kundengruppen?
Für mich gibt’s deshalb innerhalb der Kundengruppen keine Unterschiede – es kommt schlicht auf dem Gegenüber und wirklich ganz „old-school“ auf die gleiche Wellenlänge an. Grundsätzlich kann man mit direkten Ansprechpartnern, die Verantwortung übernehmen (dürfen) und viele Entscheidungsbefugnisse besitzen, Projekte smarter wuppen.
Ich sehe auch eine große Befriedigung, wenn ich Unternehmen und Projekte langfristig begleiten darf, also von der Corporate-Design-Entwicklung oder Produkteinführung bis hin zu den periodischen Publikationen. Da kann ich mit gestalten und dann immer wieder optimieren, sei es zum Beispiel am Material oder an der Drucktechnik, an der wirtschaftlich-effizienten Produktion oder an der Optimierung des Datenhandlings.
Wie gehst du bei der Entwicklung maßgeschneiderter Print-Kommunikation vor? Welche Überlegungen stellst du in der Konzeptionsphase an, wie kommst du zu kreativen Einfällen? Ist das ein intuitiver Prozess oder gehst du hier strategisch vor?
Nur dann kann ich mir Gedanken zur Umsetzung machen. Im Prinzip bitte ich meine Ansprechpartner, nicht eine Lösung zu fordern, sondern mir die Idee zu erklären. Zu „kannste mal ein Briefpapier suchen“? habe ich keine Antwort. „Bleib weg vom Papiermusterschrank“ nenne ich einer meiner Workshops und so arbeite ich auch (erst mal). Dafür habe ich einen umfangreichen Fragenkatalog mit vielen Parametern/Faktoren und „weichen“ Kriterien entwickelt. Ich lasse mich auf die Idee ein und sage nie, das geht nicht – sondern fange an zu tüfteln. Fundiertes technisches Wissen, eine Menge Erfahrung und ein sehr großer Musterfundus sind mein größter Schatz. Zeit und Muße für Spinnereien und der Austausch mit den Kreativen auf Augenhöhe ist ganz essentiell. Die erste Idee muss nicht die letzte sein, das gilt für die Designer und für mich als Print Produktioner. Außerdem dokumentiere, benenne und beschreibe ich in der Konzeptionsphase schriftlich. Das gilt auch für die Muster- und Papierauswahl, denn das ist nie eine beliebige Auswahl, sondern individuelle Vorschläge.
Wie beurteilst du die Zukunftsfähigkeit deines Jobs? Denkst du, dass auch künftig noch Print Produktioner beauftragt werden, um außergewöhnliche Drucksachen zu entwickeln? Wie schätzt du den aktuellen Markt ein? Geht Print wieder weg vom Standard?
Wenn es in die produktionstechnische Tiefe geht, schnappen viele Kreative nach Luft. Auf welcher konkreten Ebene gewinnen Auftraggeber, Grafiker und Agenturen durch eine Zusammenarbeit mit dir? Welche Auswirkungen hat die Hinzunahme eines Experten auf das Produkt und den Prozess?
- Qualitätssicherung, Prozessoptimierung und -steuerung
- Optimierung der Vorstufe und Datenanlage
- Bestes Preis-Leistungsverhältnis bei den Fremdkosten
- Gewinn von passenden Leistungspartnern
- Weniger Aufwand für den Auftraggeber und somit mehr Zeit für das Wesentliche
- Vergrößerung der Materialvielfalt
- Die richtigen Druckprozesse und die schönsten Veredelungstechniken
Als Produktionerin bin ich auch gleichzeitig Projektmanagerin – ich bin dafür verantwortlich, mit guten Nerven und Ruhe ein Projekt sauber zu realisieren und das Produkt möglichst perfekt herzustellen. Keine schlechten Auswirkungen, oder nicht?
Warum denkst du, haben viele Kreative, wie Grafiker, Gestalter und Designer, die ja sehr oft und maßgeblich an der Entwicklung und Produktion von Gedrucktem beteiligt sind, letztlich so wenig Ahnung von Print? Kannst du hier meine Einschätzung bestätigen? Auf welchem Wissensstand sind beispielsweise die Teilnehmer deiner Workshops?
Ich mag das auch nicht so gern, wenn gesagt wird, „die Kreativen wissen ja nix“ – ich als Produktionerin sehe durch mein spezielles Know-how schlicht auch meine Existenzberechtigung und finde es vor allem inspirierend, wenn jeder seine Expertise im Projekt hat. Das nennt man dann Zusammenarbeit, oder?
Ein bisschen wie Beautyretusche also: Wer einen Blick dafür hat, kann sicher besser einschätzen, was echt ist und was nicht.
Aus meiner Sicht ist es eher eine Frage der Persönlichkeit: wer lässt sich auf wen oder was ein? Wer sieht Beratung von Experten als bereichernd an oder hat Angst vor Kompetenz? Wie selbstbewusst tritt ein Ansprechpartner gegenüber dem Endkunden oder intern im Unternehmen auf und kann und will den Mehrwert externer Produktionern und Fremdkosten gut argumentieren?
In meinen Workshops gehe ich individuell auf alle Teilnehmer ein, egal ob Praktikant*in, Senior*in oder Onliner*in. Alle, die offen sind, nehmen was mit. (Sicher gibt es immer wieder mal welche, die mit der Erwartung kommen, ein paar Muster abzugreifen oder mal schnell eine konkrete Kalkulation mit zu nehmen, aber das gibt sich dann meistens im Laufe des Workshops)
Ein Maßanzug ist teurer als Stangenware. Das leuchtet ein. Welche Argumente lieferst du deinen Kunden, wenn es um die Entwicklung individueller Print-Kommunikation geht? Welche Mehrwerte können realisiert werden? Lohnt es sich, mehr Geld für Print auszugeben? Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Online ist auf jeden Fall besser messbar, Klicks sind bei Broschüren schwieriger. Ich bin davon überzeugt, dass Printsachen, egal welcher Art, die in sich stimmig sind (Inhalt, Text, Gestaltung, Material und Verarbeitung), nicht gerne weg geschmissen und nicht „vergessen“ werden.
Meiner Erfahrung nach können durch das frühzeitige Einbeziehen der technischen Parameter großartige Projekte auch mit kleineren Budgets verwirklicht werden. Auch die Komponente Zeit ist oft wichtiger als Geld, denn vorher denken spart auch Geld und schafft Lichtblicke. Trotzdem habe ich nichts gegen größere Budgets einzuwenden;-)
Liebe Katja, zum Schluss noch eine allgemeinere Frage: Welche Hausaufgaben haben deiner Meinung nach Druckereien, Verbände und die gesamte Branche zu erledigen? Siehst du größere Veränderungen am Horizont aufziehen?
Meiner Meinung nach geht es auch in unserer – ich sag mal traditioneller – Branche um was anderes, um zukunftsfähig zu bleiben: um nachhaltiges Wirtschaften, faire Allianzen und Förderung der mittelständigen Unternehmen oder Kleinbetriebe, interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine starke Vernetzung der grafischen Industrie mit der Designbranche. Mehr Frauen in relevanten Positionen wünsche ich mir auch.
In diesem Sinne: paperkate ist am Start!
Hier geht es zur Website von Paperkate
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2 Kommentare
Mir gefällt der Gedanke, das gesamte Spektrum zu sehen, das die grafische Industrie in Sachen Druck zu bieten hat. Mein Bruder hofft, ein kleines Unternehmen zu gründen, und er versucht, ein Design für das Logo seines Unternehmens zu entwerfen, das die Aufmerksamkeit auf sein Unternehmen lenkt. Ich werde ihm sagen, dass er einen Druckdienst finden soll, der die neuesten Trends in der grafischen Industrie kennt, und hoffentlich kann er sich schon bald Ideen für sein Firmenlogo holen.
Hallo Joachim, selbstverständlich darf dein Bruder sich auch bei mir melden. Die Entwicklung außergewöhnlicher Drucksachen ist meine Kernkompetenz.