Das Besondere zum Standard machen. Was Printbuyer künftig erwarten.

Warum wird Print (zunehmend) online gekauft?

Fehlende Expertise

Print wird im Bildungssystem stark vernachlässigt. Ich bin ausgebildeter Drucker, Industriemeister Print und studierter Druckingenieur. Zudem habe ich im Auftrag einer großen Fernuniversität insgesamt neun Lernbücher für angehende Medienfachwirte und Industriemeister geschrieben. Ich weiß also, in welcher Tiefe Print im Bildungssystem der grafischen Industrie berücksichtigt wird. Der Wissenstransfer in diesem Bereich ist meiner Meinung nach viel zu dürftig. Und ich komme aus den technischen Disziplinen. In den kreativen Berufen, wie bei den Grafikern, Kommunikationsdesignern und Mediengestaltern, sieht es noch finsterer aus. Die Kundenberater in Druckereien können hiervon ein Lied singen: Nur ein kleiner Teil aller Druckanfragen können ohne Rücksprache zu Angeboten gewandelt werden. Korrekt angelegte Druckdaten sind ebenfalls Mangelware.

Hinzu kommen die vielen neuen Verfahren, Anwendungen und Veredelungen, die der Digitaldruck mit sich bringt. Bedeutet: Viele Akteure, die an der Entwicklung und Abwicklung von Druckjobs beteiligt sind, haben wenig Ahnung davon, was tatsächlich möglich ist. Der Zugang zu Expertenwissen und Spezialbetrieben fehlt. Die großen Online-Druckereien suggerieren, dass das, was angeboten wird, in weiten Teilen dem entspricht, was technisch möglich ist. Tatsächlich wird online aber nur ein kleiner Teil aller Möglichkeiten angeboten. Aus meiner Berufspraxis als Print Produktioner weiß ich, dass viele Kreative regelrecht Angst vor Print haben. Und wo gehen Menschen hin, die sich unsicher fühlen? Na, dorthin, wo es bequem, kuschelig und sicher ist. Und genau dieses Bedürfnis befriedigen die Online-Druckereien.

Der Wunsch, Aufwände zu reduzieren (Bequemlichkeit)

Der Mensch ist bequem und möchte – wo immer möglich – Aufwände reduzieren. Printbuyer möchten Ihre Prozesskosten und den Kommunikationsaufwand reduzieren. Standardisierte Produkte und Abläufe, wie diese von den Onlinern angeboten werden, helfen hierbei ungemein. Der Online-Einkauf von Drucksachen ist schnell gelernt und macht den gesamten Prozess tatsächlich deutlich schlanker. In diversen Gruppen und Foren, die ich online regelmäßig besuche, wird fast ausnahmslos nach Online-Druckereien gefragt. Es scheint so, dass viele Druckereikunden keine Lust mehr auf eine verbale Mensch-zu-Mensch-Kommunikation haben. Ist der Ablauf bequem genug, wird gerne auf individuelle Produktionen, die einen größeren Kommunikationsaufwand bedeuten, verzichtet.

Preis-Leistungs-Verhältnis

Ok, nicht wirklich verwunderlich. Die Preise bei den Online-Druckereien sind teilweise wirklich extrem niedrig. Konventionell aufgestellte Druckereien sind hier deutlich teurer.

Hier eine kleine Raterunde:

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Diese Drucksache ist bei Onlinern schon für unter 80,00 Euro zu bekommen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist bei vielen Produkten und Auflagen wirklich unschlagbar gut. Diese niedrigen Preise zeigen aber auch, dass Neueinsteiger kaum eine Chance im Online-Massendruckmarkt haben. Hier sind besondere Produkte, Services und Lösungen notwendig.

Wer kauft Drucksachen online?

Kundengruppen, die Print online bestellen:

Laien

• Liefern Druckdaten in Word
• nutzen Online-Editoren
• keine Ausbildung in der grafischen Industrie
• kennen keine Lieferanten
• Zu finden in Vereinen, kleine Unternehmen, usw.
• Auch B2C. Konsumenten, die für den privaten Bereich Drucksachen, für z.B. Hochzeitseinladungen, online gestalten und einkaufen.

Amateure

•  Ausbildung / Studium in der grafischen Industrie
• trotzdem rudimentäre Kenntnisse im Druckbereich
• geringer Marktüberblick
• gestalten einfache, standardisierte Drucksachen
• Kundenberatung im Print-Bereich findet kaum statt
• Arbeiten als Freelancer, in Agenturen und kleineren Unternehmen

Profis

• haben eine guten Marktüberblick
• Ausbildung / Studium in der grafischen Industrie
• pflegen Lieferantenbeziehungen
• beherrschen größere Fertigungstiefen
• Sind in der Lage, Produkte zu entwickeln
• Print findet in der Kundenberatung statt
• Auf Print spezialisierte Grafiker, Printbuyer in Unternehmen, Produktioner, usw.

Experten

• Haben einen perfekten Marktüberblick
• Ausbildung / Studium in der grafischen Industrie
• Pflegen enge Lieferantenbeziehungen
• Bilden sich stetig weiter
• Ent- und Abwicklung von Druckprodukten als Kernkompetenz
• Produktioner, Hersteller, Printbuyer in größeren Agenturen und Unternehmen

Nun kommen wir zu der Frage, wie sich diese Gruppen in ihren Anforderungen unterscheiden. Hierfür habe ich jeweils die Laien und Amateure und die Profis und Experten in einen Topf geworfen.

Anforderungen der Laien und Amateure

• benötigen einen leichten Zugang zu besonderen Druckprodukten.
• Online-Editor zur Anpassung vorgefertigter Designs, ggf. mit der Möglichkeit auch Druckveredelungen berücksichtigen zu können.

Anforderungen der Profis und Experten

• Umfassende Online-Kalkulation mit großer Fertigungstiefe.
• Lösungen für Spezialanwendungen auf Prozessebene (z.B. Bestellungen aus SAP direkt an die Druckerei).
• Herausforderungen, die sich mit einem Closed Shop bewältigen lassen.

Was alle Kundengruppen gut finden

• Inspiration
• Besondere Produkte, die nicht wie Stangenware wirken.
• Innovative Lösungen für individuelle Probleme / Herausforderungen.

Wie können sich Druckereien auf künftige Kundenbedürfnisse einstellen?

Produkt-Ebene

Es liegt auf der Hand: Der Wunsch nach besonderen Druckprodukten wird zunehmen. Druckereien sind gut beraten, sich intensiv um die Entwicklung besonderer Produkte zu kümmern, diese zu standardisieren und somit einer breiteren Masse verfügbar zu machen. Besondere, standardisierte Druckprodukte sind insbesondere für Laien und Amateure interessant, da diese nicht in der Lage sind, individuelle Produkte zu entwickeln und zu beschaffen. Online-Editoren mit gut designten und anpassbaren Templates für die jeweiligen Produkte können ebenfalls ein echter Wettbewerbsvorteil sein.

Druckprodukte

• für Branchen
• für Anlässe, wie Hochzeiten, Geburtstage, usw.
• mit besonderen Veredelungen und Weiterverarbeitungen.
• die sich nicht maschinell und automatisiert fertigen lassen, wie z.B. Pop-Ups, besondere Falzungen und Verpackungen.

Insbesondere auf der Ebene der Produkte können sich auch kleine Druckereien einen Platz in der Nische suchen. Manuelle Arbeiten beispielsweise, dürften die meisten großen Onliner scheuen.

Lösungs-Ebene

Profis und Experten stellen in der Regel speziellere Anforderungen an Ihre Druckdienstleister. Dies ist auch der Grund dafür, dass ich selten meine Drucksachen online beschaffe. Möchten Druckereien künftig auch Experten dazu bewegen, ihre Jobs online zu platzieren, dann müssen diese entsprechende Lösungen entwickeln. Diese können wie folgt gestaltet sein:

• Online muss eine größere Fertigungstiefe abgebildet werden. Mehr Verfahren, Veredelungen, Substrate, Bindungen Falzungen, usw. müssen online miteinander kombinierbar sein.
• Die Kombinationen müssen noch während der Eingabe auf Plausibilität und technische Machbarkeit geprüft werden.
• Die vielfältigen Möglichkeiten des Digitaldrucks im Bereich der Anwendungen und Veredelungen werden online bisher kaum berücksichtigt.
• Weiterführende Prozessschritte, wie Lettershop-Arbeiten oder Konfektionierungen, müssen zusammen mit der Drucksachenbestellung angeboten werden.

Service-Ebene

Einen guten Service und absolute Kundenorientierung finden alle Kunden – vom Laien bis zum Experten – gut. Für viele Unternehmer ist Service leider etwas, was zwingend zu leisten ist, der Kunde jedoch nicht honoriert. Ich bin da ganz anderer Meinung! Erstens, ist Service und Kundenorientierung etwas, was längst nicht in allen Druckereien zu finden ist. Zweitens denke ich, dass Kunden durchaus bereit sind, für Services zu bezahlen, sofern diese Probleme lösen. Die Onliner machen es ja vor und bieten z.B. kostenpflichtige Datenchecks an. Folgende Leistungen würde ich sehr wohl (auch monetär) honorieren:

• Angebot innerhalb von 24 Stunden.
• Reklamationsversicherung: Im Reklamationsfall garantierter Nachdruck und erneute Zustellung innerhalb von 48 Stunden.
• same day delivery für regionale Kunden.
• Für Reseller: beliebiges Auflagensplitting, Ausdrucken für Lieferscheinen und Nutzung individueller Versandkartons (z.B. mit dem Logo des Resellers).
• Freigabemuster, insbesondere auch bei komplexeren Produkten.

Warum sollten Druckereien das Besondere zum Standard machen?

Sie haben keine andere Wahl, denn:

• der Drucksacheneinkauf geschieht zunehmend online.
• der Markt für Standarddrucksachen ist aufgeteilt.
• Es herrscht eine große Preistransparenz bei Massendrucksachen, der günstigere Anbieter ist nur ein Klick weit entfernt
• die großen Online-Druckereien haben einen extremen Wissens- und Technologievorsprung.
• durch die Standardisierung besonderer Produkte werden die Kundenberater entlastet und haben so mehr Zeit für individuelle Druckanfragen (die von den Onlinern oft vernachlässigt werden – siehe auch diesen Test)

Kosten für Neukunden

• Online Neukunden zu gewinnen ist teuer. 60 – 100 Euro pro Neukunden sind nicht ungewöhnlich.
• Druckereien benötigen besondere Produkte, Services und Lösungen, die sich leichter und kostengünstiger vermarkten lassen.

Preisbereitschaft / Preistransparenz

• Die Preisbereitschaft steigt mit dem Kundennutzen. Dieser ist bei außergewöhnlichen Produkten und Lösungen deutlich höher.
• Durch Standardisierung lassen sich besondere Druckprodukte günstig anbieten und erlauben dennoch eine gute Marge.
• Die Preistransparenz sinkt mit dem Grad der Alleinstellungsmerkmale auf Produkt-, Lösungs- und Service-Ebene.

Besonderes ist ein Kundenbedürfnis, denn

• die Notwendigkeit der Abgrenzung wird immer elementarer.
• Durchschnittliches erzeugt nur durchschnittliche Ergebnisse.
• nur das Besondere fällt in der Flut an gedruckter Kommunikation noch auf.

Abgrenzung / Alleinstellungsmerkmal

• Möchten Druckereien wahrgenommen werden, dann müssen diese Besonderes anbieten.
• Die Erarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen wird zur Überlebensfrage.

Kommunikation und Inspiration

• Werden besondere Produkte angeboten (und standardisiert), dann setzen Kunden auch besondere Produkte um. Und diese lassen sich hervorragend kommunizieren.
• Werden besondere Produkte kommuniziert, dann inspiriert dies andere Kunden zu Weiterentwicklungen auf der Basis der Standards.
• Kunden werden mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Druckerei anfragen, von der sie inspiriert wurden.
• Standards werden durch Kunden weiterentwickelt und können in der weiteren Produktentwicklung berücksichtigt werden.

Zusammenfassung und Fazit

• fehlende Expertise
• Bequemlichkeit
• Preis-Leistungs-Verhältnis

Je nach Qualifikationsprofil unterscheiden sich dabei die Ansprüche potenzieller Kunden:

• Weniger versierte Kunden benötigen einen niedrigschwelligen Zugang zu besonderen Produkten. Die Gestaltung dieser muss über vorgefertigte Designs und Online-Editoren erfolgen.
• Profis und Experten wünschen sich eine größere Fertigungstiefe, die online dargestellt wird und kalkulierbar ist. Speziallösungen, wie sie z.B. über closed shops abgedeckt werden können, sind ebenfalls interessant.

Druckereien haben auf mindestens drei Ebenen die Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzugrenzen:

• Produkt-Ebene
• Lösungs-Ebene
• Service-Ebene

Und Sie müssen dies aus mindestens folgenden Gründen tun:

• Der Markt für Standarddrucksachen ist aufgeteilt.
• Die Kosten für Online-Neukunden sind im Massendruckmarkt sehr hoch.
• Die Preistransparenz ist groß, der günstigere Anbieter nur ein Klick weit entfernt.
• Besondere Produkte, Lösungen und Services sind ein Kundenbedürfnis.
• Erfolgreiche Unternehmen benötigen Alleinstellungsmerkmale.
• Besondere Produkte lassen sich gut kommunizieren und inspirieren potenzielle Kunden.

Druckereien, die in den hart umkämpften Online-Markt einsteigen möchten, müssen sich also etwas einfallen lassen. Es dürfte schwer bis unmöglich sein, im Bereich der beliebigen Standarddrucksachen Fuß zu fassen. Ich bin mir jedoch sicher, dass sich mit besonderen Produkten, Lösungen und Services online auch künftig gutes Geld verdienen lässt. Vielleicht nicht im großen Markt, in der Nische aber ganz bestimmt.

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